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16.07.2021

Sanierung von Hochwasserschäden: Schadensprozesse bei Baustoffen

Verschiedene Schadensprozesse überlagern sich

Welche Schäden nach einem Hochwasser am Haus auftreten, hängt von den verbauten Baustoffen ab. Besondere Beachtung verdienen mehrschichtige Aufbauten aus verschiedenen Baustoffen und Hohlräume, wo Probleme manchmal erst viel später bemerkt werden. Auf diese Stellen und Baustoffe sollten die Eigentümer:innen überfluteter Häuser besonderes Augenmerk legen.

Innenraum ohne Putz und Bodenbelag nach Hochwasser
Eine Sanierung von Parkettböden ist nach einem Hochwasser in der Regel nicht möglich, sie müssen komplett rückgebaut werden. Manchmal müssen Hausbesitzer sogar den gesamten Estrich entfernen. Damit das Mauerwerk komplett austrocknen kann, sollte auch durchnässter Putz bis zum Untergrund entfernt werdenFoto: Frank Frössel
Zerstörte Trockenbauwand nach Hochwasser
Ist das Hochwasser abgelaufen, zeigen sich die Schäden im Innenbereich. Oft sind Trockenbau-Trennwände komplett zerstörtFoto: Frank Frössel

Physikalische Schadensprozesse sind auf das Quellverhalten vieler Materialien beziehungsweise irreversible Verformungen zurück zu führen. Sie setzen bei Hochwasser in der Regel sofort ein. Die Folge sind Zugspannungen, die zu Rissen, Abplatzungen und Ablösungserscheinungen führen. Bei Holz (Parkett, Schwingböden, Paneele, Türen, Möbel etc.) sind solche Schäden besonders gravierend. Schon in den ersten Tagen nach dem Hochwasser können irreparable Schäden auftreten.

Chemische Schadensprozesse im Haus nach Hochwasser
Chemische Schadensprozesse sind stark abhängig von der Art des betroffenen Materials. Die Stahlkorrosion nimmt bei Anwesenheit von Schadstoffen ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von 65 Prozent exponentiell zu. Die Zersetzung von Teppich- und Papierklebern setzt bereits nach wenigen Stunden ein und verursacht irreparable Schäden. Anhydrid, Gips und gipshaltige Baustoffe dekristallisieren nach wenigen Tagen und verlieren so ihre Festigkeit. Da diese Baustoffe ohnehin keine Wasserfestigkeit aufweisen, müssen sie im Rahmen der Hochwasser-Sanierung ohnehin ausgebaut werden. Ausblühungen hingegen treten oft erst Wochen oder Monate nach der Trocknung auf. Bei Holzwerkstoffen kann die Durchfeuchtung unter Umständen auch zur verstärkten Freisetzung von Formaldehyd führen. Aus durchfeuchteten Klebern oder Dämmstoffen können VOC (flüchtige organische Verbindungen) freigesetzt werden, auf die sensible Menschen mit gesundheitlichen Problemen reagieren.

Problemfall Parkettboden
Ein besonderes Problem sind Parkettböden. Da ist zu klären, ob sie mit dem Untergrund verklebt sind. Schwimmend verlegte Mehrschichtplatten sind gesondert zu bewerten. Bei geklebten Parkettböden ist konstruktionsbedingt durch die technische Bautrocknung (mit Kondenstrockner oder (Ad-)Sorptionstrockner) mit Abrissfugen zu rechnen, so dass die Funktionstauglichkeit der Böden nicht mehr gegeben ist. Bei einem schwimmend verlegten Bodenaufbau sind feuchtigkeitsbedingte irreversible Verformungen (Schüsselungen) deutlich stärker ausgeprägt als bei einem vollflächig verklebten Parkettboden. Eine Sanierung des Bodens ist auch bei intakter Nut- und Feder-Verbindung in der Regel nicht mehr möglich. In dem Fall kommt nur ein kompletter Rückbau in Frage. Bei stehendem Wasser wölben sich Parkettböden auf und zeigen erhebliche Quellerscheinungen. Weist der Estrich Risse oder eine weiche Oberfläche auf, muss auch der komplette Estrichaufbau entfernt werden.

Problematische Bereiche nach Hochwasserschäden
Das Hauptproblem bei Hochwasserschäden besteht darin, dass nicht nur die Oberfläche durchfeuchtet ist, sondern beispielsweise auch die Dämmschicht unter dem Estrich. Wasser, das unter die Dämmschicht eingedrungen ist und sich dort verteilt hat, kann auf normalem Wege nicht austrocknen, so dass eine spezielle Dämmschichttrocknung erforderlich ist. Besonders problematisch sind Hohlräume und schwimmende Estriche, weil eine Durchfeuchtung in diesem Bereich zur Ansammlung von stehendem Wasser führt, das sich unter der Dämmschicht ausbreiten kann. Die folgende Ansiedlung und das Auskeimen von Mikroorganismen bleibt hier meist unbemerkt und kann oft erst sehr viel später erkannt werden. Gleiches gilt, wenn ein Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) hinterfeuchtet wurde. Je nachdem, welcher Dämmstoff und ob eine mineralische Verklebung oder ein Dispersions- oder PU-Harzkleber verwendet wurde, muss das WDVS komplett rückgebaut werden.

--> Weiterlesen: Verhalten von Dämmstoffen bei Hochwasser

Technische Bautrocknung bei Hochwasserschäden
Grundsätzlich muss bei der technischen Bautrocknung beachtet werden, dass es sich in den seltensten Fällen um kompakte, homogene Baustoffe handelt, die zu trocknen sind, sondern um miteinander verbaute Verbundbaustoffe, deren Komponenten in der Regel ein unterschiedliches Wasseraufnahme- und Austrocknungsverhalten haben. Aufgrund der unterschiedlichen Materialeigenschaften können im Verbundbaustoff durch behinderte Schrumpf- und Schwindvorgänge Spannungen induziert werden, die zu Rissen, Abplatzungen oder Ablösungen führen können. Selbst wenn eine Trocknung also sichergestellt werden kann, ist es nicht auszuschließen, dass als Folgeerscheinung der Trocknung nachgelagerte Bauschäden auftreten können.

Biologische Schadensprozesse bei Hochwasserschäden: Schimmelbefall
Schimmelpilze und Bakterien werden oft sowohl in ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit als auch in ihren Konsequenzen unterschätzt. Die Folgen der durch Mikroorganismen verursachten biologischen Schadensprozesse reichen einerseits von optischen Beeinträchtigungen bis hin zur vollständigen Materialzerstörung und andererseits von Geruchsbelästigungen bis zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen. Die Entwicklung von Schimmelpilzbefall beginnt anfangs unsichtbar schon nach circa 36 bis 48 Stunden. Wärme und erhöhte Luftfeuchtigkeit können diesen Prozess erheblich beschleunigen. Nicht entdeckte oder nicht beseitigte Materialfeuchtigkeit bereitet zusätzlich den Nährboden für einen späteren Schädlingsbefall. Biologische Schadensprozesse können in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren wie zum Beispiel Feuchtigkeit, Temperatur, pH-Wert, Nährstoffangebote etc. auch auf der Oberfläche von anorganischen Stoffen einsetzen. Die oft geäußerte Aussage, dass nur organische Stoffe von Schimmelpilz- und Bakterienbefall betroffen sein können, ist dem zu Folge unzutreffend.

 
 
 
Quelle: Frank Frössel / energie-fachberater.de
 
 

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